Junge Pioniere - Kiesgruben und ihre Bewohner
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Wussten Sie, ...
...dass der hier abgebaute Kies vor Jahrtausenden von der Erft abgelagert wurde?
Im Rhein-Erft-Kreis bestimmen neben der intensiven Ackernutzung vielerorts Abgrabungen das Landschaftsbild. Neben den riesigen Braunkohletagebauen sind dies v.a. stillgelegte oder noch im Betrieb befindliche Kiesgruben. Sie sind zwar „Wunden“ in der Landschaft, aber oft auch menschengemachte Refugien für seltene Tier- und Pflanzenarten, die in der ansonsten vollständig ausgeräumten Agrarlandschaft keine Lebensräume mehr haben. So findet z.B. die farbenprächtige Zauneidechse hier alles, was sie braucht: Versteckplätze unter Gestrüpp, warme Stellen zum Sonnenbaden und zur Eiablage sowie ausreichend Insekten als Nahrung. Auch für spezialisierte und gefährdete Froschlurche wie Kreuz- und Wechselkröte sind in solchen Gruben vielerorts ausreichend flache, warme Pfützen zum Laichen vorhanden, außerdem ausreichend Nahrung und Verstecke für die Überwinterung. Viele Arten von Wildbienen finden sandig-kiesige Steilwände zum Bau ihrer Wohnröhren. Die Blauflügelige Ödlandschrecke, eine seltene, eher mediterran verbreitetete Heuschrecke, nutzt die offenen Sandböden zur Eiablage. Das vielerorts seltene Kleine Filzkraut kann sich auf den nährstoffarmen Böden fast frei von Konkurrenz in Massen vermehren.
Die genannten Arten und viele weitere profitieren aber meist nur auf Zeit von den neuen, menschengemachten Lebensräumen, denn nach Ende des Abbaus werden die Gruben fast immer entweder als Deponien verfüllt oder drohen im Laufe der Jahre mit Stäuchern zuzuwachsen und zu schattig zu werden. Obwohl die Kiesgrube ein Naturschutzgebiet ist, müssen zumindest in Teilbereichen regelmäßig Büsche und Bäume entfernt werden, um ausreichend Lebensraum für die seltenen Arten zu erhalten.
Kiesgruben als Lebensräume aus Menschenhand ersetzen für viele seltene Tier- und Pflanzenarten jene natürlichen Habitate, die es früher z.B. in ungestörten Flussauen gab. Bedingt durch die wechselnde Wasserführung und den mäandrierenden Verlauf gab es noch vor 200 Jahren viele natürlich entstandene Kiesflächen, Steilufer und Kleingewässer in Auen, die den oben genannten Arten Lebensraum boten. Durch die Begradigung der Fließgewässer sind sie in den letzten 150 Jahren bis auf kleine Reste verloren gegangen. Kiesgruben können dafür in gewissem Grade als Ersatz dienen, dauernde Pflege und Offenhaltung durch Beweidung oder den Naturschutz vorausgesetzt. Dies bedeutet nicht, dass Kiesabbau immer und überall ein Gewinn für die Natur ist. Wenn dabei andere wertvolle Lebensräume zerstört werden - z.B. Feuchtwälder oder artenreiches Grünland - sind Kiesgruben abzulehnen. Auch die Art des Abbaus und die Folgenutzung spielt für den Naturschutzwert einer Grube eine große Rolle: Wenn während des Abbaus Teilflächen einige Jahre aus der Nutzung bleiben oder sogar mit Gewässern naturschutzgerecht optimiert werden, ist dies günstig. Flächige, intensive Steilabbaue und eine Verfüllung nach Abbauende sind dagegen kontraproduktiv. In diesem Rahmen müssen wirtschaftliche Interessen und Naturschutzerfordernisse bei jeder Abgrabung zu einem sinnvollen Kompromiss geformt werden.